Samstag, 24. November 2012

IL TRIONFO DI MACISTE (Tanio Boccia, 1961)

Die Frau, der Held, der Affenmensch, das Inferno. Ein ökonomisches Bild.











Wo der deutsche Verleih in diesem Film “Feuerteufel” entdeckt haben mag? Gemeint ist wohl jene Sekte von “Höhlenmenschen”, der hier eine böse Königinm Jungfrauen abführt, die dann als Opfer in dem flammenden Schlund einer Götzenstatue, die in den Tiefen einer riesigen Grotte steht, geworfen werden. In den “Sigurd”-Comics von Hansrudi Wäscher, einer meiner Kindheitserinnerungen schlechthin, die mir die vermutlich intensivsten, evokativsten Erlebnisse mit Gedrucktem bescherten, die ich je gehabt habe, gibt es in den ersten Heften auch eine solche Geschichte, in der eine böse Königin ihr preußisches, mittelalterliches Volk einen solchen Götzen (“Götze”, das ist sehr wichtig – ein Word, dass das Heidnische in alle Richtungen ausdünstet, ein Relikt) anbeten lässt. Sie nennt ihn, wenn mich nicht alles täuscht, “Amato”. Kirk Morris, 10 Jahre älter, hätte Sigurd sicherlich großartig verkörpert.

*****

Ich bin inzwischen reflexartig ein wenig darauf verfallen, jeden Sandalenfilm lose einem bestimmten Jahrzehnt des Zeitalters der klassischen Spektakel (welches meinem Empfinden nach – filmwissenschaftliche Betrachtungsweisen sind hier, leider oder glücklicherweise, nicht im Spiel – auch in den 60igern endete) zuzuordnen. Tanio Boccia, gemeinhin als hack verrufen (und bisher auch von mir so angesehen), gelingt hier ein Sandalone, wie er näher an den 20igern – nicht den 10er Jahren, dorthin passt dann doch keiner der pepla -nicht sein könnte. Ein knorriger Abenteuerreigen, in dem die Bewegung über das Wort triumphiert, die Stimmung über die Erzählung, in dem die Dialoge auch in Zwischentiteln stehen könnten, die Musik auch als durchgängige Partitur alles überlagern könnte. Und all das überzogen, überwachsen mit jenem aller abenteuerlichen Munterkeit zum Trotz unbestimmt düsteren, erdigen, felsigen, matten Glanz, der auch das Aufregendste und Geheimnisvoll-Unerklärlichste war an Boccias Grusel-Italowestern DIO NON PAGA IL SABATO (1967). Kirk Morris alias Adriano Bellini, hier im unglaublichen, noch sichtlich milchbärtigen Alter von 19 Jahren (!) zum ersten Mal in einem Film und als Maciste, interpretiert die Figur mit der hinreißenden Unsicherheit des unversehens zum Schauspieler Beförderten als im Grunde willensschwaches Medium, durch das hindurch die Figuren und die tyrannischen, amourösen und familiären Konstellationen erst zum Leben erweckt werden. Sie überstrahlen ihn. Er selbst könnte dabei leicht nur ein schöner Gegenstand, ein griechischer Jüngling, ein Lustknabe, sein – tatsächlich allerdings ersteht der traditionsbewusste italienische Held hier als Ketten zerreißendes und aus rebellischer Routine Felsbrocken versetzendes, formbares, mögliches Teenager-Idol. Diesen 19jährigen hat man nicht besetzt, um ein konservatives männliches Publikum zu erfreuen, nein, er dürfte nichts geringeres als der Robert Pattinson des Sandalenfilms gewesen sein (passend dazu der nie verifizierte Mythos, dass eine Produzentengattin ihn als Gondelfahrer in Venedig bemerkte). Seine latent melancholische Ausstrahlung, der stramme, nie verhüllte Körper, wie auch seine an Elvis und James Dean erinnernden Züge dürften damals jedenfalls für “feuchte Höschen” (wie man in einer anderen Zeit vielleicht gesagt hätte) gesorgt haben, und auch ich muss gestehen, ihn zum Auffressen gern zu haben.

Jedenfalls ist er von all diesen teils furchteinflößenden, muskelbewehrten Supermännern vielleicht der Zugänglichste, derjenige, dem man am ehesten zutraut, sich trotz seiner Bärenkräfte – an die zu glauben man überhaupt erst lernen muss, hier in einer dieser archetypischen Szenen, in denen Maciste mit Ketten an zwei Pferdegespannen vertäut wird. Fetischistisch schneidet Boccia während des Kraftaktes, fast wie in einer Sexszene, zwischen Großaufnahmen seiner verschiedenen Körperteile und Muskeln hin- und her, bleibt aber auffallend oft pragmatisch an seinen Füßen hängen – ohne Ego, Heldentum und Hintergedanken in die gute, kräftezehrende Sache zu stürzen, während so manchem seiner amerikanischen und britischen Bodybuilderkollegen wahlweise die schmierige Lüsternheit oder der artige Verzicht schon ins Gesicht (und ihr Gesicht ist bekanntlich das, dem neben den Muskeln die größte Bedeutung zukommt) geschrieben zu stehen scheint. Der unbesiegbare Muskelmann als sensibler Lustknabe, ein Konzept, für das man sich im Kontext dieser ursprünglichen Filmkunst besonders erwärmen kann. In Boccias hier im umfassendsten und durchdringendsten Sinne des Wortes archaischer, zerklüfteter und von feinen Anflügen kühler Romantik durchdrungener mise-en-scène jedenfalls gewinnt Morris’ ganz eigenes Charisma und seine Physis enorm an Reiz, ganz im Gegensatz zur tristen Routinefilmerei eines MACISTE ALLA CORTE DELLO ZAR (siehe Sehtagebucheintrag vom 21. 10.), der Boccia und Morris dann wohl so zeigt, wie man sie gemeinhin sieht: als “hack director” und als ausdrucksloses Muskel-Toy-boy.

*****

Ein merkwürdiger, modrig-verwitterter Film aus Gestein, Wasser, Wolken, Laub, Nebel und tiefstehender Sonne. Und mein erstes Erfolgserlebnis mit einem Sandalenfilm, den ich auf italienisch ohne die mir sonst zumeist noch zur Verfügung stehenden italienischen Gehörlosenuntertitel gesehen habe – ich konnte nahezu alles verstehen. Ob das nun der Ursprünglichkeit des Films oder einer besonders guten Tagesform geschuldet war, sei dahingestellt. Jedenfalls besteht noch Hoffnung (vor allem auch darauf, dass ich nicht allzu viele der antiquierten deutschen Synchronfassungen dieser Filme ertragen muss.)

Abschließend noch ein Song, der sich zum heimlichen Soundtrack meiner Sandalenfilm-Retrospektive gemausert hat. Warum auch immer. Ich entdeckte ihn zu richtigen Zeit und es handelt sich dabei vermutlich um das, was man als italienischen Teenie-Pop seiner Zeit bezeichnen könnte. Und er passt sehr gut zu diesem Film, auf eine gewisse Art.


*****

Anatomie des Kraftakts

Die Sprungfedern
Die Karosserie
Die Räder
Der Motor
Der Auspuff
Morris 1, PS: unbekannt


Kirk Morris (alias Adriano Bellini) war 19 Jahre alt, als er in diesem Film, seinem Debüt, erstmals Maciste verkörperte. Es ist nicht ganz zu übersehen.





Wenn der Kraftakt friedvoll die Leinwand füllt:




Stock Footage. Im verkratzten Filmmaterial liegt ein Hauch vom Alter der Erde, das dieser Vulkan bezeugen könnte. Vielleicht sollte man Vulkanausbrüche nur noch aus Archivmaterial in Filme einfügen. Fliegende Asche, flatternder und verglühender Verfall.


4 Kommentare:

  1. ADRIANO BELLINI ( aka) Kirk MORRIS war wirklch besonders HOT. Er was Mr APPOLOd Italia
    ( Gleich Mr Italia Bodybuilding) Mir Gefaell MORRIS am besten

    AntwortenLöschen